USA 2017
Unser Reisetagebuch - Teil 3
Von Idaho an die Küste Oregons

04.04. Idaho ist kleiner als Wyoming, hat aber zumindest dreimal so viel Einwohner. Davon merken wir erst einmal wenig, als wir über die US20 westwärts, immer in Sichtweiter zu einer langen Kette schneebedeckter Dreitausender, aus Idaho Falls herausfahren. Über hundert Meilen führt die Fernstraße auf mittlerer Höhe von 1.750 m durch eine Grassteppe, die anfangs noch punktuell als Weideland genutzt wird, dann aber nur noch sich selbst überlassen ist. Allerdings sind weite Flächen als Restricted Area für einen nicht viel sagenden Industrie- und Forschungskomplex ausgewiesen, auf einem Wegweiser steht der Begriff Atomic Waste - das ist schon eine plausible Erklärung für uns. An einem Saloon in einem kleinen Kaff, aus vier fragwürdigen Häusern bestehend, wird für Atomic Burger geworben.


Dann wird es plötzlich spannend, als wir das Craters of the Moon National Monument erreichen, ein großflächiges Gebiet erkalteter Lavaströme, resultierend aus zweitausend Jahre zurück liegenden Vulkanausbrüchen. Das Visitor Center informiert den Besucher umfassend und auf gut ausgebauten Fahrwegen kann er sich einen Eindruck vom Inferno verschaffen. Interessant ist, dass vor Jahren die Apollo Astronauten um Alan Shepard hier etwas für ihre Mond-Mission geübt haben.

Weitere hundert Meilen passiert wieder nicht viel, die weiten Flächen werden allerdings von wenigen verstreuten Ranches als Grasland zur Heugewinnung genutzt. Dann schließlich fällt das Land um fast tausend Höhenmeter ab und wir erreichen am Nachmittag Boise, die Hauptstadt Idahos. Ein Kontrast zum Rest des Bundesstaates tut sich für uns auf, der Feierabendverkehr kommt selbst auf vier Spuren zeitweise zum Stocken und uns erscheint Boise samt seiner Satelliten flächenmäßig so groß wie Berlin. In der Metropolregion leben mehr als zwei Drittel der Einwohner Idahos.
11.04. Wir sind noch längst nicht über alle Berge. Der Snake River, der uns seit den Teton Bergen begleitet, hat bis Boise gute 1.200 Höhenmeter verloren und enorm viel Wasser hinzu gewonnen. Der verabschiedet sich nun von uns 40 Meilen weiter an der Grenze zu Oregon und nimmt einen weiten Umweg nach Norden. Wir nehmen auf der Interstate 84W den nach Nordwesten führenden historischen Oregon Trail, auf dem zwischen 1840 und 1860 Scharen von Siedlern nach Westen getreckt und ihr gelobtes Land gesucht haben. Sie haben auch das historischen Städtchen Baker City gegründet. Das liegt hundert Meilen von Boise entfernt, aber gleich wieder vierhundert Meter höher. Während wir unbeschwert die Berge hinauf rollen, werden die Altvorderen manchen Tropfen Schweiß verloren haben.
Es geht bald wieder runter in ein nächstes Tal und anschließend hinauf in die Blue Mountains, ein ähnlich geschlossenes Waldgebiet wie in den Kammlagen den deutschen Mittelgebirge, nur fünfhundert Meter höher. Irgendwo unterwegs werden wir darauf hingewiesen, dass wir uns "on half way between Equator and North Pole" befinden. Nach dem Schnee und den Temperaturen der letzten Tage ist uns eher wie Nordpol.

Schlielich erreichen wir am frühen Nachmittag den breiten Columbia River, der ein paar Meilen flussaufwärts den Snake River aufgenommen hat. Die vereinten Wassermassen haben sich in Jahrtausenden eine Schlucht nach Westen gegraben, durch die sich nun auch Auto- und Eisenbahn zwängen. Nach insgesamt 320 Tagesmeilen machen wir Stopp auf einem Camp des US Army Engineering Corps am Ufersaum zwischen Fluss, zwei Bahnstrecken und Straße. Wir sind gespannt auf die Geräusche der Nacht, stellen vor dem Einschlafen noch unsere Uhren eine Stunde zurück auf Pacific Standard Time.
12.04. Es mögen um die zehn Güterzüge gewesen sein, die des Nächtens zwanzig Meter von unserem Bett entfernt langsam vorüber getuckert sind - mit viermaligem Hörnerklang, das versteht sich wegen des Bahnübergangs zu unserem Stellplatz. Die Züge fahren nicht schnell in Amerika, aber sie sind lang. 60-100 Waggons und drei bis vier schwere, laute Dieselloks. Die kontinuierlich rollenden Trucks auf der Autobahn hatten gegen den Lärmpegel der Züge keine Chance. Wir, was einen ruhigen Schlaf angeht, auch nicht.

Die amerikanischen Wettervorhersagen sind erstaunlich präzise. Danach sollte es gestern Abend noch anfangen zu regnen. Und es hat. Am Morgen dampfen die schroffen Hänge der Columbia River Gorge.
Es ist wirklich erstaunlich, wie tief sich der Columbia River in die Cascade Mountains eingeschnitten und diese Schlucht gebildet hat. Wir sind total beeindruckt und zählen diese Durchfahrt zu den Highlights unserer Reise. Die Wände links und rechts sind bis zu geschätzten 200 m hoch und fallen auf der Oregon-Uferseite nicht selten senkrecht ab - das rechte Ufer gehört zum Bundesstaat Washington. Der Columbia River ist immerhin der viertgrößte Fluss der USA, ist 2000 km lang und entspringt bereits in den Bergen von Kanada.
Unterwegs stellen wir fest, dass nahezu alle der verschiedenen anderen Camps bis Portland ebenso lärmig gewesen wären wir unsere letzte Bleibe. Es gibt nicht viele Ansiedlungen in der engen Schlucht des Columbia River. Hood River empfinden wir als sehr netten Ort zum Leben.

In der Metropolregion von Portland leben über zwei Millionen Menschen, entsprechend ausgedehnt ist die Stadt mit ihren Vororten. Fahrenderweise wollen wir uns einen Eindruck verschaffen, Aussicht auf einen Parkplatz hätten wir ohnehin nicht. Die alten Brücken beeindrucken uns besonders und wir arbeiten uns ziemlich zielsicher durch die Einbahnstraßen der Downtown. Gerade als wir am Nachmittag das Stadtzentrum nach Westen verlassen wollen, ergießt sich ein heftiger Regen über die Stadt und wir beschließen, heute nicht mehr bis zur Pazifikküste zu fahren, sondern einen Stellplatz weit am westlichen Rand des Stadtgebietes in Cornelius zu nutzen.
13.04. Am späten Vormittag erreichen wir im Badeort Seaside die Oregon Coast des Pazifik. Dem vorausgegangen ist erst noch eine erneute Fahrt über regenverhangene Berge und Höhen von fünfhundert Meter, wo sich die Wolken vom Pazifik gern an die Bäume festkrallen - entsprechend flechtenbehangen und gespenstisch sehen sie aus. Am Strand von Seaside überrascht uns auch prompt der nächste Regenschauer, so dass wir uns das Meer lieber weiter von unserem warmen rollenden Stübchen aus betrachten. In Gearhart, dem nächsten Ferienort, scheint schon wieder die Sonne.

Nach einem Kurzbesuch im Fort Stevens ist der Fischerort Astoria unsere letzte Station in Oregon. Sein Name geht zurück auf Johann Jakob Astor aus Walldorf, Gründervater einer Dynastie (Waldorf-Astoria), der hier vor 200 Jahren einen Handelsstützpunkt errichtete. Wir kaufen am Hafen frischen Fisch für den Abend, ehe wir über die gewaltige, sechs Meilen lange Brücke über die Mündung des Columbia Rivers hinüber nach Washington fahren. Dort steuern wir den nahen Cape Disappointment State Park an und beziehen eine Campsite im Park.

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