Australien 2010
Reisetagebuch / Teil 5

Perth - Broome

Nachdem wir in der westaustralischen Metropole Perth etwas Großstadtluft geschnuppert haben, zieht es uns wieder hinaus in die Natur und zu einigen der vielen Nationalparks Westaustraliens. Auf halber Strecke nordwärts nach Broome werden wir den südlichen Wendekreis, den Tropic of Capricorn, überschreiten.

2.10. Perth hat eine gute Verkehrsinfrastruktur. Auf dem Mitchel Freeway gelangen wir am frühen Nachmittag zügig nach Norden aus der großen Stadt hinaus, die flächenmäßig eher mit London, als mit einer deutschen Großstadt zu vergleichen ist. Die tiefhängenden Wolken motivieren uns, einfach solange weiter zu fahren, bis die Sonne scheint. Das ist über 100 km weiter nördlich im kleinen Städtchen Lancelin am Indischen Ozean der Fall. Hier war bisher die Küstenstraße A60 zu Ende, seit zwei Wochen führt sie weiter nach Norden. Nach einigen Kilometern auf der neuen Straße schlagen wir uns in die Büsche und braten den herrlichen Fisch zum Abendessen, den wir am Morgen gekauft hatten. Zu unserer Überraschung kommen wir selbst hier ins Internet und können noch ein paar eMails schreiben.
3.10. Heute gehen unsere Gedanken 20 Jahre zurück zu dem Tag, an dem die deutsche Wiedervereinigung endgültig wurde und uns die Tore in die weite Welt öffnete. Das "feiern" wir gleich mit einem nicht ganz leichten Allrad-Track durch die Dünenlandschaft ("White Hell") von Wedge Island, unmittelbar am Indischen Ozean. Und schließlich fahren wir noch zu den imposanten Pinnacles im Nambung National Park bei Cervantes. Am Nachmittag nehmen wir noch ein paar Kilometer auf der A60, dem Indian Pacific Drive, unter die Räder, ehe es zum Abendessen vorzüglichen Schwertfisch aus der Troopy-Küche gibt.
4.10. Der Indian Pacific Drive (A60), die seit Mitte September durchgängig befahrbare Küstenstraße von Perth nach Norden, trifft vor Graldton wieder auf den Highway Number One, die A1. Geraldton ist das Zentrum für die mittlere Westküste, wir bunkern also nochmal alles, was nötig ist, bevor wir in die ab nun wieder recht dünn besiedelten Gebiete an der Küste bzw. landeinwärts kommen. Geraldton ist auch eines der Hauptgebiete für den Fang der Rock Lobster, also genehmigen wir uns noch einen dieser knallroten Dinger, bevor wir weiter zum Kalbarri National Park fahren. Wir kommen noch rechtzeitig an, um einen der berühmten Sonnenutergänge vor den roten Felsklippen zu erleben.
5.10. Die Nacht war nochmal relativ kühl, so dass wir am Morgen zunächst ein Stück in den Kalbarri Nationalpark hinein fahren. Nach einem erwärmenden Morgenspaziergang zum Nature Window, dem Guckloch zur Schlucht des Murchison River, freuen wir uns aufs Frühstück und schauen uns dann noch ein paar Kilometer weiter am sogenannten Z-Bend ein weiteres Naturspektakel an. Der Murchison River, der weit aus dem westaustralischen Landesinneren kommt, hat sich im Laufe der Jahrtausende ein tiefes, canyonähnliches Bett durch die Felslandschaft gegraben. Um weiter nach Norden zu kommen, müssen wir zunächst ein gehöriges Stück zurück zum Highway One, den wir aber bald wieder in Richtung Küste verlassen - unser Ziel ist diesmal die Shark Bay World Heritage Area mit dem Städtchen Denham als Ausgangspunkt. Wir übernachten auf einem Camp am Meer, 20 km vor der Stadt.
6.10. Endlich haben wir die Wärme, die wir wollten. Und die vielen Fliegen, die wir nicht wollten. Letztere sind ungewohnt lästig, krabbeln in Mund, Nase und Augen, wenn man sie lässt. Einziges Mittel ist sehr starker Wind, der sie wegbläst, oder ein Fliegennetz, das man sich über den Hut zieht und unterm Kinn zusammenbindet. Da wir die Wärme wollten, nehmen wir die Fliegen in Kauf. Die erste Attraktion des Tages ist Monkey Mia, die kleine Bucht oberhalb von Denham. Wieder mal ungefrühstückt fahren wir die 40 km, um gegen acht Uhr am Morgen dort zu sein und zu erleben, wie sich pünktlich einige wilde Delfine einstellen, um die wartenden Besucher mit ihrer Anwesenheit zu erfreuen und sich ein paar Fische abzuholen. Das gleiche Schauspiel schauen wir uns zwei Stunden später nochmal an - da haben wir aber inzwischen fein gefrühstückt. Monkey Mia ist natürlich eine Touristenshow, ganz im Gegensatz zum benachbarten Francois Peron National Park, der die gesamte Nordspitze der Halbinsel einnimmt und pure, urwüchsige Natur bietet. Das geht damit los, dass wir die Luft zur Hälfte aus den Reifen lassen, den Allradantrieb zuschalten und die Differentialsperre für die Vorderräder einlegen. Ansonsten kämen wir im tiefen Sand der 40 km langen Allradstrecke bis zur Nordspitze der Halbinsel keinen Meter weit. Dort werden wir mit einer herrlichen Aussicht belohnt und vor allem damit, dass wir Delfine beobachten können und sogar eine große Seeschildkröte und eine Seekuh (Manati) sehen, die ihre Nahrung in den ausgedehnten Seegraswiesen vor der Küste finden. Wir übernachten auf einem der Nationalparkcamps und erleben wieder einen herrlichen Sonnenuntergang.
7.10. Nun brauchen wir der Wärme nicht mehr hinterher zu fahren. Recht gelassen gehen wir die 40 km durch tiefen, feinen Sand zurück zur Hauptstraße nach Denham an, machen sogar noch einen kleinen Umweg innerhalb des Francois Peron Parkes zu einer Bucht auf der Ostseite der Halbinsel. Leider können wir keine Fotos mehr machen, weil alle Akkus leer sind. In Denham ist, gleich nach dem Aufpumpen der Reifen, unser erster Gang in den Tante-Emma-Laden des Ortes, um für teures Geld ein paar Batterien zu kaufen, die für unsere Fotoapparate geeignet sind. Wir haben die Stühlchen aus dem Auto geholt, sitzen unter einem Sonnendach und schauen nach Nachrichten aus der Heimat. Dann fahren wir noch die 130 km zurück zur A1 und bleiben für die Nacht auf einem großen Parkplatz am Highway.
8.10. Wir sind recht zeitig unterwegs, weil die vielen Fliegen einfach zu lästig an unserem Frühstück teilhaben wollten. Es ist Ferienende in Westaustralien und die Rückreisewelle nach Perth rollt. In der Nacht waren auf dem Highway die Road Trains wieder schneller als viele der Känguruhs - nun haben die Raubvögel und Krähen ein reiches Frühstücksangebot. Gegen zehn sind wir schon in Carnavon, dem Zentrum der Region am Gascoyne River, tanken Diesel und vor allem Wasser, aber auch Tomaten, Papayas und Bananen, die hier im Freiland wachsen. Lustig ist die Fahrt mit einem niedlichen Bähnle hinaus auf den langen Jetty, wo früher die Dampfschiffe anlegten, um Schafe und Wolle zu laden. Wir bleiben bis zum frühen Nachmittag und fahren dann weiter die Küste hinauf zu den spektakulären Blow Holes von Point Quobba. Die blasen bei dem starken Wellengang tatsächlich kräftig und waren den Umweg von 100 km Wert. Über Nacht bleiben wir gleich nebenan auf einem wilden Camp direkt am Meer, andere tun es uns gleich. Das erfrischende Bad im glasklaren Meerwasser ist ein Genuss.
9.10. Natürlich haben wir gestern Abend auch schon die Korallenstöcke im Meer gesehen. Ohne Taucherbrille war aber nicht viel zu erkennen. Heute morgen ist es, gleich nach Sonnenaufgang, noch windstill und nur weit draußen brechen sich die Wellen, vor unserer Nase ist die Wasseroberfläche fast so glatt wie ein Spiegel. Wir stehen also, während alle Nachbarn noch schlafen, schon im knie- bis hüfttiefen Wasser und schauen den kleinen und größeren bunten Fischen zu, die zwischen den verschiedenen Korallenstöcken umher schwimmen. Erst als eine leichte Brise das Wasser kräuselt, trennen wir uns und bereiten unser Frühstück. Die Abstände der einzelnen Sehenswürdigkeiten werden von Tag zu Tag größer, bis Coral Bay, dem Ausgangspunkt zum Ningaloo Reef, sind es 250 km - auf dieses tägliche Pensum haben wir uns aber schon lange eingepegelt. Im kleinen Ferienort Coral Bay gehen wir auf einen Campingplatz, weil wir unbedingt mal wieder eine Waschmaschine und Strom für die leeren Kamera-Akkus brauchen. Wie es der Zufall will, kommt ein roter Rotel-Bus auf den Camp gefahren - ein ähnlicher, mit dem wir uns vor zehn Jahren mal haben durch Marokko kutschieren lassen. Sehr gesprächig sind die Rotel-Touristen nicht, wir lassen es bei einem Small Talk und widmen uns wieder der großen Wäsche. So richtig gefällt es uns schon gar nicht mehr auf einem vollen Campingplatz.
10.10. Nachdem wir die frische Wäsche und alle Utensilien verstaut haben, gehen wir ein neues Allrad-Abenteuer an. Vor uns liegen 100 km Gravel Road entlang der Küste zum Ningaloo Reef bis zum Beginn des Cape Range National Parks. Es geht über Farmland mit vergleichsweise leicht zu fahrender, aber teilweise übler Schüttelpiste. Auch die sandigen Passagen gehen ohne Luftablassen vorüber, aber dann kommt der Yardie Creek, der bei hoher Tide mit Meerwasser voll und danach wieder halbleer läuft. Er ist gerade am Leerlaufen. Wir machen eine Kaffeepause, während das Wasser zurück ins Meer läuft und lassen schon mal die Hälfte der Luft aus den Reifen. Nachdem der Pegel um einen halben Meter gefallen ist, bereitet die Überquerung des nassen, aufgeweichten Sandbettes kein Problem mehr. Länger dauert schon das Aufpumpen der Räder. Wir wollen am Küstensaum bleiben, aber die kleinen Nationalpark Camps am Ningaloo Reef sind voll. Wir mogeln uns einfach noch in einen der mit drei Campsites kleinsten hinein.
11.10. Am Morgen sehen wir beim Abschied vom Ningaloo Reef noch weit draußen jenseits des Riffs die Buckel und die Blasfontainen von einigen Walen. Dann fahren wir um die Nordspitze der Halbinsel herum, die wir vor genau fünf Wochen bei unserer Anreise vom Flieger aus ziemlich deutlich gesehen hatten, kaufen in Exmouth fix noch das Nötigste ein und begeben uns dann auf die Fahrt zur nächsten Sehenswürdigkeit, die diesmal schon 600 km entfernt ist. Die ersten 300 km ostwärts passiert gar nichts, einzige Abwechslung im Niemandsland ist ein Roadhouse mit teurem Diesel. Dann wird die Landschaft doch noch abwechslungsreicher, rote Hügel kommen ins Bild und freilaufende Kühe am Straßenrand. Wieviel davon morgen früh noch leben werden, ist ungewiss. Am Abend machen wir uns auf einem der wenigen großen 24-Stunden-Parkplätze ein kleines Lagerfeuer und verzehren die herrlichen King Prawns, die wir uns noch bei den Fischern von Exmouth gekauft hatten.
12.10. Die 100 km nach Tom Price, dem Städtchen mit der großen Eisenerzmine, bringen wir schnell hinter uns und holen uns bei der Tourist-Info nähere Informationen zum Karijini National Park. Und wir lassen uns den Allradkurs hinauf zum Mt Nameless erklären, von dem aus wir den gesamten Erztagebau überblicken können. Bei der steilen Auffahrt auf den über 1000 m hohen Berg kriegt der Troopy richtig was zu tun, aber auch das macht er ohne zu mucken mit gewohnter Bravour - für uns allerdings schon eine kleine Herausforderung. Gegen Mittag fahren wir weiter zum Hamersley Range national Park, wie der Karijini früher hieß. Der große Nationalpark gliedert sich in zwei touristisch interessante Teile, wir nehmen uns für den heutigen Nachmittag den westlichen um die Weano Gorge vor. Von einem Aussichtspunkt am Rand des tiefen Schluchtensystems können wir gleich in vier relativ schmale, aber 100 m tiefe Gorges schauen, die hier zusammen laufen. Im Hinblick auf unsere kleinen Handicaps belassen wir es beim Anblick und fahren auf waschbrettartiger Piste zum Dales Campground, der im östlichen Teil des Parks liegt.
13.10. Schon am frühen Morgen stehen wir am Rand der Dales Gorge und schauen in die Tiefe der Schlucht zu einem der beiden Fortescue Falls, der selbst in dieser trockenen Zeit, woher auch immer, sein Wasser über Kaskaden in einen großen Pool fallen lässt. Dort hinunter wollen wir. Der Abstieg ist moderat und wir nutzen einen (hoffentlich) unbeobachteten Moment für ein erfrischendes Bad - die üblichen Badeutensilien hatten wir natürlich nicht dabei. Am Grunde der Schlucht können wir einen lauschigen Weg durch regelrechten Dschungel zum zweiten Wasserfall und dem Fern Pool gehen - lustiges Vogelgezwitscher ist Entspannung für die Seele. Am späten Vormittag geben wir aber schon wieder dem Troopy die Sporen, wir haben über 400 km nach Norden vor uns. Östlich des Parks erreichen wir den Great Northern Highway, der von Perth durchs Hinterland nach Norden führt. Solange wir noch durch das Bergland der Pilbara fahren, ist die Strecke sehr abwechslungsreich. Dann folgen 250 km Never Never ohne eine Spur einer Ansiedlung bzw. Tankmöglichkeit. Kurz vor Port Hedland, der Hafenstadt, von der aus ein großer Teil des australischen Eisenerzes nach Asien verschifft wird, erreichen wir wieder den Coast Highway One. Port Hedland ist für technisch Uninteressierte zweifellos eine No Go Aerea, uns beeindrucken die gewaltigen Dimensionen der Verladeanlagen und die Logistik, die dahinter steht. Rund um die Uhr werden hier zeitgleich über zehn große 100.000 Tonnen-Erzfrachter beladen (eher noch mehr bzw. größere), die ihre Ladung irgendwo in Japan, Indien und hauptsächlich China wieder löschen. Wir schauen dem Treiben in dem Teil des großen Hafens, den wir bei Kaffee und Keks aus der eigenen Kombüse gut überblicken können, eine Zeit lang interessiert zu und machen uns dann auf den Weg zu einem der kostenlosen Rastplätze an der A1 in Richtung Broome.
14.10. Über der heutigen Etappe könnte stehen: Man muss schon sehr gern Auto fahren! Es geht 500 km fast schnurgerade nach Broome, außer zwei Roadhouses (Tankstelle mit Caravan Park) ist nichts zu erwarten. Buschsteppe links, Buschsteppe rechts, mal auch Grassteppe. Und dennoch hat der heutige Tag ein Glanzlicht für uns parat, indem wir auf halber Strecke auf eine Buckelpiste zum Eighty Mile Beach abbiegen. Wir trauen unseren Augen nicht - muschelübersäter weißer Südsee-Traumstrand bis zum Horizont, türkisblaues Meer mit flacher Uferzone, kaum Menschen. Wir fahren ein paar Hundert Meter am Strand entlang, bis wir allein sind. Die Sonne scheint so heftig, dass wir das Sonnensegel an den Troopy fädeln. Faktor 30 wäre hier noch zu wenig. Nach einem erquickenden Kaffee beenden wir nach zwei Stunden den Südseetraum und widmen uns wieder dem Highway. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir Broome, fahren eine kurze Runde durch die Stadt und schlagen uns dann in die Büsche.
15.10. Schon kurz nach sieben in der Frühe stehen wir im Industriegebiet von Broome bei der uns empfohlenen Autowerkstatt, um die fällige Durchsicht mit Ölwechsel machen zu lassen, damit uns der Troopy weiter Freude macht. Die dafür nötige Zeit überbrücken wir bei angenehmem Wind in einem Strandcafe mit Blick aufs Meer. Gegen Mittag fahren wir mit dem Troopy einkaufen und danach noch für ein Stündchen zum Baden an den schönen Cable Beach, wo einst die Telegrafenleitung nach Java ihren Ausgangspunkt hatte. Am Nachmittag verlassen wir Broome und beenden damit unsere fünfte Reiseetappe. Für die Nacht haben wir uns den kostenlosen Camp bei der Pearl Farm am Willy Creek ausgeguckt. Die Anfahrt ist abenteuerlich, wir kommen uns vor wie Hänsel und Gretel, aber die Mühe wird mit einem schönen Platz belohnt, auf dem wir fast allein sind.
Unsere Gedanken gehen zurück auf die mit knapp 4.000 km längste Etappe unserer Australienreise - Westaustralien streckt sich ganz schön und ist mit europäischen Maßstäben kaum zu messen.

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© Horst Uhlemann