Australien 2010
Reisetagebuch / Teil 4

Uluru - Perth

Der direkte Weg aus dem Zentrum an die Südwestküste Australiens führt über die Great Central Road. Sie ist Teil des Outback Way, der zumeist als Schotterpiste diagonal durch den Kontinent führt. Südlich der Goldgräberstadt Kalgorlie wollen wir wieder auf den Highway 1 stoßen, der Küstenstraße rund um Australien.

22.9. Gegen Mittag verlassen wir den Uluru-Kata Tjuta NP westwärts und fahren einem neuen Abenteuer entgegen, der Durchquerung des Kontinents von seiner Mitte zum Südwesten, gleichbedeutend mit der Durchquerung der Überschneidungszone von Great Victoria Desert und Gibson Desert. Vor uns liegen über 1.100 km Gravelroad durch die Wüste. Die australischen Wüstengebiete sind allerdings nur in geringem Umfang reine Sandwüsten, sondern überwiegend extrem trockene Buschsavannen. Und in diesem Jahr haben auch die genügend Regen ab bekommen, so dass wir froh sein können, dass die Tjukaruru Road bis zur Grenze nach Westaustralien überhaupt schon wieder befahrbar ist. Ein paar große Pfützen und einige Schlammreste sind noch übrig, aber die Piste lässt sich recht gut fahren. Ab Grenze Westaustralien heißt die Piste Great Central Road und ist im Vergleich zu dem, was wir an Pisten bisher erlebt haben, in vorbildlichem Zustand, so dass wir bis zum Sonnenuntergang immerhin ein Drittel der gesamtstrecke bewältigen. Im Schnitt kommt uns stündlich ein Fahrzeug mit langer Staubfahne entgegen - ein beruhigendes Gefühl, dass wir nicht ganz allein unterwegs sind.
23.9. In der Nacht sind drei Road Trains vorbei gedonnert. Sonst umgab uns nur die Stille der freien Natur. Kurz nach Sonnenaufgang haben wir uns bei flotter Fahrt erstmal aufgewärmt, ehe wir beim Warburton Roadhouse unseren morgendlichen Tee gekocht, gefrühstückt und unsere Uhren 1 1/2 Stunden zurück gedreht und auf westaustralische Zeit eingestellt haben. Nun sind wir der mitteleuropäischen Sommerzeit nur noch sechs Stunden voraus. Vor allem aber stellen wir fest, dass ab heute der kalendarische Frühling in Aqustralien begonnen hat und dass die Sonne hell und klar auf uns herabscheint. Nach der Stärkung fliegen wir wieder über die Great Central Road, die ohne weiteres ein zügiges Fahren mit 80 km/h erlaubt. Wir kommen uns tatsächlich etwas wir im Flieger vor - zeitweise sanftes Dahinfliegen, mal heftige Turbulenzen. Der wesentliche Unterschied zur Fliegerei besteht wohl hauptsächlich darin, dass wir auf der abwechselnd sandigen bis steinigen Piste die Bodenhaftung nicht verlieren dürfen. Wir schaffen 550 km und logieren ab spätem Nachmittag auf einem der wenigen Parkplätze, nicht mehr allzu weit vom Ende der langen Gravel Road entfernt.
24.9. Am gestrigen Abend hatten wir noch mit Dan aus Kanada und seiner Freundin gesprochen, die sich mit ihrem Auto für die Nacht zu uns auf den Parkplatz gesellt hatten. Sie sind schon ein paar Wochen in Australien, wollen demnächst noch für drei Monate nach Neuseeland und dann von Chile aus über die Panamerikana zurück nach Kanada. Heute früh schlafen sie noch, als wir die letzten 50 km Gravel Road angehen, so dass wir ihnen unsere Glückwünsche gar nicht mit auf die Reise geben können. Je mehr wir uns den westaustralischen Goldfields nähern, um so besser wird die Piste. Ab Laverton gibts dann glatte Asphaltstraße, im Bergarbeiterdorf Leonora machen wir einen Tankstopp und schauen kurz ins Internet nach eMails, in Kalgoorlie schließlich, der Gold Capital of Australia, halten wir uns etwas länger auf, bummeln unter den Arkaden der Hannan Street und schauen uns die alten Bauten aus der Blütezeit der Goldgräberei an. Schließlich gucken wir vom Rand des Super Pit, der größten Tagebau-Goldmine der südlichen Halbkugel, in die Tiefe des gewaltigen Lochs, in der riesige Kipper mit jeweils 225 Tonnen Ladung wie Ameisen langsam aus der Tiefe heraufkrabbeln - alles sehr interessant, aber wir wollen wieder in den Busch und übernachten auf einem kostenlosen Camp bei Lake Douglas Recreation Reserve. Selbst dort kommen wir noch ins Internet.
25.9. In Coolgardie, wo der Goldrausch vor über hundert Jahren begann, ist schon lange nichts mehr los. Wir nehmen ohne langes Zögern die über 300 km lange Gravelroad nach Hyden. Asphaltfahren ist zu langweilig und wäre noch weiter. Beim Victoria Rock Nature Reserve machen wir eine längere Pause und genießen alles, was blüht. Und das ist viel um diese Jahreszeit - deshalb haben wir unsere Tour ja auch so gewählt. Nach 80 km müssen wir uns entscheiden: entweder die vorbildlich glatte, risikolose Gravelroad mit Tempo 80 oder den eigentlichen Holland Track, der sich als schmaler Allrad-Pfad durch den Busch zieht und an die Zeit erinnert, als er den Scharen von Goldsuchern mit ihrem wenigen Hab und Gut als mühevoller Weg von der Küste zu den Goldfeldern diente. Der Holland Track ist nach dem, was wir gelesen haben, bei Trockenheit eine gewisse Herausforderung, nach Regen ein unkalkulierbares Risiko. Es ist trocken und wir probieren einfach mal die ersten Kilometer. Immerhin fahren wir allein und können im Bedarfsfall auf wenig Hilfe rechnen. Als wir die Gewissheit haben, dass der Track mit ähnlich viel Spaß zu fahren ist, wie die Sandwege durch die heimischen Wälder beim Pilzesuchen, bleiben wir dabei. Nach 50 km mit Durchschnittstempo 25 bleiben wir ab dem frühen Nachmittag in der angenehmen Frühlingssonne bei einem der Granithügel und machen für den Rest des Tages Urlaub. Zwei Autos und drei Biker fahren vorbei - das beruhigt.
26.9. Ab halb acht sind wir wieder auf dem Holland Track. Er ist naturbelassen und wird nicht gepflegt. Tiefe Löcher bleiben, wo sie sind. Er ist so breit, dass ein Auto hindurch passt, links und rechts Sträucher bzw. Bäume. Bei Gegenverkehr muss immer einer in die Büsche. Das ist gerade der Reiz für die vielen australischen Offroader. Besonders heute, denn am morgigen Montag ist Public Holiday - damit also verlängertes Wochenende. Im Laufe des Tages kommen uns über 25 Allrädler mit Sack und Pack entgegen. Wir haben also keinerlei Sorge, dass wir im Bedarfsfall tagelang auf Hilfe warten müssten. Unberücksichtigt der Zu- und Abfahrten sind wir einschließlich der gestrigen Strecke 190 km auf einer Offroad-Piste unterwegs, die Geschwindigkeiten zwischen 0 und 40 km/h erlaubt. Und das Kuriose: es macht uns wirklich Spaß. Jedenfalls kommen wir nachmittags gegen vier nach Hyden, um dem bekannten Wave Rock unsere Aufwartung zu machen, und stellen fest, dass heute dort ein bedeutendes Rock-Konzert stattfindet, allerhand Hippies mit Klampfe unterm Arm sind unterweghs dorthin. Wir verschieben also den Besuch auf morgen und suchen uns ein stilles Plätzchen für die Nacht.
27.9. Am Morgen schauen wir uns den faszinierenden Wave Rock an, eine Riesenwelle aus Stein, Millionen Jahre alt. Muss man gesehen haben. Gegen Mittag geht es weiter nach Süden. In Ravensthorpe treffen wir wieder auf die Küstenstraße A1, die wir vor über zwei Wochen in Port Augusta verlassen hatten. Natürlich hätten wir, um nach Westaustralien zu kommen, auch den unendlich langweiligen Weg durch die Nullarbor Plain nehmen können, aber zu der Zeit war ja noch gar nicht klar, wie wir vom Zentrum Australiens weiter fahren werden. Der viel aufregendere Umweg über die Flinders Ranges, die West MacDonnal Ranges und den Uluru bis zur A1 bei Ravensthorpe bedeutete zwar zusätzliche 2.800 km, aber der hat sich sehr gelohnt. Nachdem wir auf dem Holland Track schon so viele Wildblumen gesehen haben, wollen wir nun noch in den Fitzgerald River Nationalpark und unsere Fahrt durch den Park in Hopetoun beginnen, einem netten Ferienort an der Küste. Das entartet allerdings zum Flop - die Piste schräg durch den Park zurück zur A1 ist gesperrt. Also wieder 50 km zurück nach Ravensthorpe, wo wir mal wieder auf einen Campingplatz gehen, um u.a. einen fälligen Waschtag zu machen.
28.9. Auf Empfehlung unserer holländischen Campingplatznachbarn fahren wir zunächst auf den Ravensthorpe Range Drive, eine 30km-Allradstrecke durch die Berge nördlich des Städtchens. Sie hatten dort viele verschiedene Wildblumen gesehen. Wir werden nicht enttäuscht und machen viele Fotos, die wir wegen der Fülle und Vielfalt in eine Extra-Bilderfolge übernehmen müssen. Wir sehen sogar eines der unter strengem Schutz stehenden Thermometerhühner (Mallefowl), die ihre recht großen Eier in einen selbst gescharrten Hügel aus Pflanzenmaterial legen und bis drei Monate lang durch die biologisch bedingte Wärme ausbrüten lassen, wobei sie durch stetes sensibles Verändern der Höhe der Abdeckung die Bruttemperatur für die Eier konstant halten. Ein schöner Waran (im Süden viel kleiner als im tropischen Norden) läuft uns auch noch über den Weg. Schließlich fahren wir zum westlichen Parkeingang des Fitzgerald River National Parks und begeistern uns an den dort ebenfalls zahllos blühenden Wildblumen und -sträuchern. Unseren Nachmittagskaffee genießen wir dann schon auf dem Nationalpark-Camp beim Point Ann direkt am schneeweißen Meeresstrand, wo wir die letzte freie Campsite ergattern.
29.9. Nach einem kurzen Strandspaziergang auf feinem Eieruhren-Sand fahren wir auf einer Allradpiste aus dem Park heraus nach Bremer Bay, dem Ferienort an der Westseite des Fitzgerald NP. Dort legen wir nur ein kleines Internetpäuschen ein, dann geht es weiter zur A1 und nach Albany. Albany ist die älteste europäische Ansiedlung in Westaustralien und regionales Zentrum für die Südküste, die Umgebung ist stark landwirtschaftlich geprägt. Ein paar Kilometer weiter kommen wir nach Denmark - mitten in einer sehr lieblichen Landschaft, die tatsächlich etwas an Dänemark erinnert. Hier sehen wir schon die ersten westaustralischen Weinfelder und Kellereien. Über Nacht bleiben wir am Rande des Walpole-Nornalup National Parks.
30.9. Gestern Abend haben wir schon einen Eindruck von den gewaltigen Karris, Marris und Jarrahs gewonnen - alles riesige Eukalypten, die nur hier im Südwesten Australiens vorkommen. Die Karris sind mit 80 Metern Höhe die höchste der drei Arten, sie können 1.000 Jahre alt werden. In gemächlicher Fahrt geht es nun weiter westwärts durch ausgedehnte Wälder - links und rechts die hohen Riesen. Ein Nationalpark reiht sich an den anderen. In Pemberton beschauen wir den Gloucester Tree, einen vor längerer Zeit zum Buschbrandwachturm unfunktionierten besonders hohen Karri, auf den man über einzelne in den Baum geschlagene Sprossen hinaufklettern kann - gesunde Knie vorausgesetzt. Schließlich gelangen wir am Nachmittag aus dem geschlossenen Waldgebiet heraus nach Augusta und zum Cape Leeuwin, dem südwestlichsten Punkt Australiens. Der Südpol ist nur noch 5.000 km entfernt. Zwischen Augusta und Margaret River erstreckt sich das kleine, aber feine westaustralische Weinbaugebiet. Beim Voyager Estate können wir gerade noch an einer Weinverkostung teilnehmen und fahren danach nur noch ein paar Hundert Meter in den nächsten Wald und übernachten dort.
1.10. Die Fahrt durch das südwestaustralische Weinbaugebiet um Margaret River ist recht abwechslungsreich, eine Winery folgt auf die andere. Von Busselton bis Bunbury fahren wir durch ein ausgeprägtes Feriengebiet, die küste wird sehr moderat zugebaut. Ab Mandurah, 80 km südlich von Perth, enteht ein Wohngebiet nach dem anderen neu. Der Bauboom im Großraum von Perth ist Ausdruck das bedeutenden Wohlstandes in der Region. Am Nachmittag kommen wir noch bis Freemantle, dem hippigen südwestlichen Stadtteil von Perth, und bummeln duch die sogenannte Cappuccino-Meile, wie die Hauptstraße mit den vielen Straßencafes allgemein genannt wird. Perth selbst heben wir uns für morgen auf.
2.10. Am Morgen fahren wir ungefrühstückt nach Perth hinein, gleich hinauf auf den Hügel des Kings Parks und trinken dort im Angesicht der Wolkenkratzer der Downtown genüsslich unseren morgendlichen Tee. Das Auto lassen wir gleich dort oben stehen und bummeln gemächlich durch die City, zwischen den Schluchten der Hochhäuser des Banken-Distrikts hindurch. Hier gibt es angeblich auf den Quadratkilometer mehr Millionäre, als im übrigen Australien. Das ist an der gesamten Infrastruktur zu merken. Alles, was Rang und Namen hat, ist in den beiden Hauptgeschäftsstraßen vertreten. Aber so richtig interessiert uns das gar nicht mehr. Wir lassen uns noch eine Runde mit dem Blue Cat Bus durch das Stadtzentrum und mit dem 39er Bus wieder hinauf zum Kings Park kutschieren (in der City sind die Busse kostenlos) und beschließen am frühen Nachmittag unsere vierte Reiseetappe mit einem Gang durch den Botanischen Garten. Es fängt leise an zu regnen.
Dieser mit 3.700 km recht lange Abschnitt unserer Reise durch den südlichen Teil Westaustraliens hat uns eine gewaltige Menge toller, lohnender Eindrücke beschert.

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© Horst Uhlemann