Trentino / Südtirol 2001
Wanderungen durch die Brenta und im Vinschgau

Als wir im Jahr 1990 das erste Mal einen Eindruck von der Brenta und ihren Klettersteigen bekommen konnten, war klar: dort müssen wir nochmal hin.
Der Gedanke an dieses herrliche Kletterparadies schwelte jahrelang vor sich hin. Inzwischen sind wir kreuz und quer durch die Alpen gereist, auf die verschiedensten Berge gekraxelt, durch Wüsten und Savannen in Amerika, Afrika und Australien gefahren - der Gedanke schwelte weiter. Nun denn - packen wir's!

Recht kulturvoll haben wir unser Vorhaben begonnen. Zunächst ein paar Tage Wien, dann Venedig und schließlich Verona - das war Kultur bzw. Kulturgeschichte pur und hat uns sehr begeistert.

Wien / Gloriette und Park Schönbrunn Schloss Schönbrunn Venedig Aida in der Arena von Verona

Natürlich haben wir auch noch im Gardasee gebadet, aber dann ging es ohne Umwege nach Madonna di Campiglio, unserem Ausgangspunkt für die Brenta.
"Le Dolomiti di Brenta" - die korrekte Bezeichnung des relativ kleinen Gebirgsstockes weist einerseits darauf hin, dass es tatsächlich viele Ähnlichkeiten zu den Dolomiten in Südtirol gibt, andererseits darauf, dass man jenseits der deutschen Sprachgrenze ist. Es gibt verschiedene gute Zugänge zu den Klettersteigen der Brenta - wir haben uns für das Valle Vallesinella (Seitental von Madonna di Campiglio) entschieden, weil wir bis zur Vallesinella-Hütte (1514 m) mit dem Auto fahren und dieses vor allem dort kostenlos parken konnten.

Es ist Ende August, die Ferien sind zu Ende und wir freuen uns auf Ruhe und Einsamkeit. Wir haben uns auf mehrere Übernachtungen in verschiedenen Hütten eingestellt und schnaufen am frühen Nachmittag mit prallem Rucksack hinauf zur Tuckett-Hütte. Der Weg vorbei an der Casinei-Hütte ist mit zwei Stunden angegeben, wir brauchen etwas länger. Dort die Überraschung: nix mit Ruhe, nix mit Einsamkeit nach den Ferien, die Hütte ist voll. Und da es noch nicht dunkel ist, lässt sich der Hüttenwirt auf keine Diskussion ein und schickt uns weiter zur Brentei-Hütte - das sind nochmal zwei Stunden. Wir sind natürlich ziemlich sauer, fassen das alles am Ende aber als Lektion auf. Die nächsten Hüttenübernachtungen reservieren wir am jeweiligen Morgen telefonisch.

Morgen bei der Brentei-Hütte Sentiero SOSAT Hoch über der Brentei-Hütte Ankunft bei der Alimonta-Hütte
Nächster Morgen, die Brentei-Hütte liegt noch im Schatten der benachbarten hohen Felsen - nun geht's richtig los. Nach 250 Höhenmetern legen wir vorsichtshalber schon mal die Ausrüstung für den beginnenden Klettersteig an, legen unser Gepäck hinter einen großen Stein und laufen erstmal unbeschwert ein gutes Stück auf dem Sentiero SOSAT hin und her, sehen tief unter uns nochmal die Brentei-Hütte im Sonnenlicht und gehen schließlich wieder bepackt hinauf zur Alimonta-Hütte, unserem Quartier für die nächste Nacht.
Alle Klettersteige sind gut gesichert, haben alle ihre Namen und sind in Schwierigkeitsgrade eingeteilt. Bisher war alles noch relativ leicht, vom Gepäck mal abgesehen, aber ungeheuer spannend und schön.

Wir haben in der Alimonta-Hütte (2580 m) gut geschlafen, steigen nach kurzem Frühstück auf dem Sfulminigletscher hinauf zur Bocca degli Armi und stellen uns bei der ersten Leiter an (andere waren halt schon früher aufgebrochen).
Dann sind wir auf dem Sentiero delle Bocchette Centrale, einem der etwas schwierigeren Klettersteige. Im Tal liegen noch einige Nebelschwaden, die die Gewaltigkeit der grandiosen Kulisse noch steigern. Unsere Erwartungen sind hochgesteckt - schließlich waren wir 1990 schon mit großer Begeisterung den vergleichbaren Sentiero Alfredo Benini gagangen.
Wir haben sehr viel Glück mit dem Wetter, bei Regen oder dickem Nebel wäre der Steig glitschig und ausgesprochen gefährlich. Stellenweise verengt sich das schmale Felsband in der nahezu senkrechten Wand sich auf 40cm.

Bocca degli Armi Sentiero delle Bocchette Centrale Bocchetta Bassa degli Sfulmini Campanile Basso
Sentiero Carla Benini de Stanchina Pedrotti-Hütte
Dieser Bocchette Centrali Weg ist zwar noch nicht der schwierigste in der Brenta, aber einer der schönsten. Neben Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erfordert er nicht mal überragende Kondition, vom Anmarsch mal abgesehen. Eine Klettersteigausrüstung mit Haken und kuzem Seil ist allerdings ratsam.
Die Kulisse ist gewaltig, gigantisch sind die Wände des Torre di Brenta und erhaben steht der Campanile Basso, einer der berühmtesten Kletterberge, unmittelbar am Weg. Und nicht minder beeindruckend liegt schließlich die Pedrotti-Hütte, unser Tagesziel, vor uns auf einem Felsvorsprung.

Bedauerlicherweise schlug gegen Abend das Wetter um, es fing an zu regnen und der nächste Morgen bescherte uns einen dunklen, wolkenverhangenen Himmel und Nebel. Missmutig ließen wir unser Vorhaben, über den Sentiero Oswaldo Orsi zur Tuckett-Hütte zu gehen, fallen und machten uns dafür auf den direkten Weg durch das langgezogene Val Brenta Alta zur Brentei-Hütte und weiter zur Casinei-Hütte (1825 m). Dort übernachteten wir, gingen am Morgen des nächsten Tages das letzte Stück zu unserem Auto.

Algund Blick ins Etschtal Blick zum Ortler Silvretta-Stausee
Nach diesem Höhepunkt war unsere Reise noch nicht zu Ende, wir ließen sie entspannt im Vinschgau ausklingen - oberhalb von Algund und Schluderns. Am Ende hängten wir noch den kleinen Umweg über die Silvretta-Hochalpenstraße dran, die uns bereits mit den Vorboten des kommenden Winters empfing.
 

© Horst Uhlemann